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Bushwick (Teil 1) - die Geschichte

Sonja Bredel • Mai 14, 2023

Bushwick - ein Stadtviertel in Brooklyn

Ich habe mich in Bushwick verliebt. Gut, zugegeben, es liegt nicht auf dem Weg vom Central Park zur Freiheitsstatue, leider auch nicht auf dem Weg nach DUMBO. Aber wer den Abend auf einer Rooftopbar in Williamsburg verbringen möchte, könnte auf jeden Fall am Nachmittag einen Abstecher nach Bushwick machen. Beides ist gut erreichbar mit dem L-Train (Subway) von Manhattan.

Bushwick ist heute für viele synonym mit Graffiti und einer lebendigen Street Art Szene. Bushwick steht für Lagerhallen, die sich in allen Farben hervorheben und für eine alternative Künstlergemeinschaft. Aber Bushwick ist noch viel mehr und verändert sich zur Zeit gerade im Zeitraffertempo.


Die Anfänge der Stadt Bushwick


Bushwicks Geschichte reicht in die Zeit der niederländischen Besiedlung zurück. 1638 erhandelten sich die Niederländer von den einheimischen Canarsie Stämmen das Recht der Besiedlung eines Landstriches in Brooklyn, der heute Williamsburg, Greenpoint und Bushwick umfasst. 1660 wurde unter Peter Stuyvesandt dieses gesamte Gebiet offiziell anerkannt als "Stadt in den Wäldern" - eben Bushwick.


Die ersten Siedler waren vor allem Holländer, aber auch französische, skandinavische und sogar ein paar englische Bauern. Sie und ihre Nachkommen produzierten in den nächsten zwei Jahrhunderten Tabak und Lebensmittel für sich selbst und den New Yorker Markt, wobei sie bis 1827 auch Sklaven als Arbeiter einsetzten. Niederländisch war bis ins 19. Jahrhundert die Alltagssprache. Von 1758 bis 1800 wurden in den Schulen Niederländisch und Englisch gelehrt, danach wurde ausschließlich Englisch unterrichtet. Das heutige Bushwick war lange Zeit ein Waldgebiet in Gemeinschaftsbesitz, das zum Weiden der Tiere und zum Sammeln von Brennholz genutzt wurde. 


Industrialisierung


Die ehemalige Stadt Bushwick fusionierte 1855 mit der Stadt Brooklyn, und von da an verdoppelte und verdreifachte sich die Bevölkerung alle 20 Jahre. Die Schifffahrt und der Schiffsbau, die Ölindustrie, die Eisenindustrie, die Töpferei, die Bekleidungsindustrie, die Druckerei und jede Art von Industrie florierten entlang des East River.


Etwa zu dieser Zeit kamen auch über eine Million Deutsche und Österreicher in die Vereinigten Staaten, von denen sich viele im Norden Brooklyns niederließen und ein bedeutendes "Little Germany" schufen. Sie eröffneten Brauereien, Bierhallen und Restaurants (um den Bierkonsum zu fördern), es gab Schützenvereine und Gesangsvereine und viele lutherische und katholische Kirchen wurde gebaut. Im Jahr 1880 gab es in Bushwick und Williamsburg 11 Brauereien, 1904 waren es bereits 44.


Zahlreiche Fortschritte im Verkehrswesen ab den 1880er Jahren führten zu einem anhaltenden Bauboom. Entlang der Myrtle Avenue und des (Brooklyn) Broadway wurden Hochbahnlinien gebaut und als 1905 die Williamsburg Bridge mit Straßenbahnen und 1908 mit U-Bahnen befahren wurde, waren die direkten Verbindungen nach Manhattan komplett. Bushwick war ein seriöses und stabiles Viertel der amerikanischen Mittelschicht.

Der Niedergang von Bushwick


Der Niedergang von Bushwick begann Mitte der 1960er Jahre, als verarmte African-Americans aus den Südstaaten und Einwanderer aus Puerto Rico in die nördlichen Stadtgebiete strömten. In anderen Städten wie Detroit und Newark brachen Rassenunruhen aus. Skrupellose Spekulanten machten sich die Angst vor ähnlichen Ausschreitungen in Bushwick zunutze, um zu billigen Immobilien zu kommen. Sie setze eine Praxis ein, die als "Blockbusting" bekannt ist: Hausbesitzer fanden in ihren Briefkästen bedrohliche Botschaften: "Warten Sie nicht, bis es zu spät ist!" - aber auch ermutigende: "Häuser gesucht, Bargeld wartet."

Tatsächlich hatten sie damit Erfolg. Für durchschnittlich 8.000 Dollar pro Grundstück kauften sie Häuser und verkauften diese dann unter Verwendung von gefälschten Gutachten und einem Bundeshypothekenprogramm der Great Society, das Hauskredite an Käufer mit niedrigem Einkommen versicherte, an arme Schwarze und Puertoricaner zu Preisen, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten. Viele gerieten in Verzug, verließen ihre Häuser und drückten die lokalen Immobilienwerte massiv.


Leerstand und Kriminalität


Einer Schätzung der Stadt zufolge standen 1972 etwa 500 Bushwick-Gebäude aufgrund der faulen Kredite leer; andere, die nicht Teil des Bundesprogramms waren, standen ebenfalls leer, da die Immobilienpreise fielen und die Käufer sich scheuten, in das Viertel zu investieren. Mit einer gutgemeinten Mietzuschusskampagne, schuf Bürgemeiser Lindsay die Voraussetzung , dass sich die Verhältnisse in Bushwick noch verschlechterten. Lindsay erhöhte die Mietzuschüsse für Sozialhilfeempfänger. Das ermutigte die Vermieter in Bushwick, leer stehende Wohnungen mit solchen Mietern zu besetzen, da diese nun höhere Mieten erzielten, als normale Mieter auf dem freien Markt zahlen würden. Mitte der siebziger Jahre bezog die Hälfte der Einwohner von Bushwick Sozialhilfe.


Der grosse Stromausfall von1977


Am 13. Juli 1977 kam es zu einem riesigen Stromausfall in ganz New York. Diese Nacht ohne Licht und Elektrizität war der Auslöser für enorme Zerstörungen und Krawalle in den ärmeren Vierteln New Yorks. Bushwick traf es am härtesten. Hier wurde in dieser Nacht und in den folgenden Tagen hunderte von Geschäfte geplündert. Viele davon wurden dauerhaft zerstört und überall wurden Feuer gelegt. Viele Einkaufsstraßen wurden geplündert, aber keine litt so sehr wie der Broadway in Bushwick oder brauchte so lange, um sich davon zu erholen. Ein Drittel der Geschäfte schloss nach diesem Ereignis. Viele glaubten, dass sich Bushwick nie mehr von diesem Ereignis erholen würde.

Bushwick 1982

Die Wende


Mitte der neunziger Jahre kam es zu einer atemberaubenden Wiederherstellung der Ordnung im Viertel, als der erste Polizeipräsident von Bürgermeister Rudolph Giuliani, William Bratton, die NYPD und ihre Methoden zur Verbrechensbekämpfung umgestaltete. Die Zahl der Morde sank von 77 im Jahr 1990 auf 12 im Jahr 1998. Die gesamte Gewaltkriminalität in dem Gebiet ging im gleichen Zeitraum um 66 Prozent zurück. Bis 1998 gab es in Bushwick jährlich 1.500 Raubüberfälle, 1.000 Einbrüche und 675 Überfälle weniger als noch acht Jahre zuvor.


Entscheidend für diesen Erfolg war Brattons innovativer Einsatz von Computern, um stadtweite Verbrechensmuster schnell zu erfassen, zusätzliche Beamte in die am stärksten betroffenen Gebiete zu entsenden und die Kommandeure für die Ergebnisse in ihren Bezirken verantwortlich zu machen. Das ist ein Ansatz zur Verbrechensbekämpfung, der seither beibehalten wurde.


Bushwick profitierte auch vom stadtweiten wirtschaftlichen Aufschwung, der nicht nur durch den dramatischen Rückgang der Kriminalität, sondern auch durch eine unternehmensfreundlichere Haltung in New York City gefördert wurde. Die vollständige Wiederbelebung von Bushwick brauchte jedoch Zeit und geschah lange, nachdem andere Stadtteile mit einer weniger schmutzigen Vergangenheit und besser erhaltener Infrastruktur zurückkehrten.


Im nächsten Beitrag, Bushwick (Teil 2), geht es dann um Bushwick heute: Street Art, Szenenkultur und den ganz normalen Alltag.

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